Achterbahn und Wechselbäder

by Take Janssen

Januar 2023


Zeit für Erinnerungen



Ein

1. Januar xxxxx

2. Januar

- rufe Mirsad an, ob es OK, ist wenn ich die Ateliermiete Ende der Woche überweise – M ist guter Laune, bedankt sich überschwänglich für unser Gespräch von Vorgestern - erzählt mir zwei Witze – will wissen, wie es mit neuen Frauenbekanntschaften steht bei mir – kann aber nichts Neues berichten – sage, das auch nicht gewollt von mir – M erzählt von sich und seinem Bekanntenkreis, in der alle Singles sind und von einer Datingbörse – Datingbörse? Ich kann dem nichts mehr abgewinnen, das hat sicher was mit dem Medikament zu tun, das ja den Testosteronspiegel reduziert, zumindest in dieser Hinsicht wirkt das wohl

// Xtandi ist angezeigt zur Behandlung erwachsener Männer mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom, deren Erkrankung während oder nach einer Chemotherapie mit Docetaxel fortschreitet. Die durchschnittliche Überlebensdauer der mit Xtandi behandelten Patienten betrug 32 Monate, verglichen mit 30 Monaten bei den Patienten, die Placebo erhielten. Enzalutamid (Handelsname Xtandi) ist seit Juni 2013 für Männer mit metastasiertem Prostatakrebs zugelassen, bei denen eine übliche Hormonblockade nicht mehr wirkt. Seit September 2019 ist Enzalutamid auch für nicht metastasierten Prostatakrebs zugelassen, wenn der Krebs trotz Hormonblockade wächst. Bei metastasiertem Prostatakrebs haben sich bereits Tumor-Absiedlungen in anderen Körperbereichen gebildet, sodass eine Heilung nicht mehr möglich ist. Bei Männern mit hormonempfindlichem Tumor beeinflussen männliche Geschlechtshormone, sogenannte Androgene, wie rasch das Tumorgewebe wächst. Das wichtigste Androgen ist Testosteron. Wird die körpereigene Androgenproduktion gehemmt, kann das Tumorwachstum gebremst und die Erkrankung aufgehalten werden. Wenn der Krebs auf eine solche Hormonblockade empfindlich reagiert, sprechen Fachleute von einem „hormonsensitiven“ Prostatakarzinom. Schreitet der Krebs trotz dieser Hormonblockade fort, sprechen Fachleute von einem „hormonrefraktären“ oder auch „kastrationsresistenten“ Prostatakarzinom. Der Wirkstoff Enzalutamid soll das Wachstum der Krebszellen hemmen. Enzalutamid bei metastasiertem Prostatakrebs Für Männer mit metastasiertem Prostatakrebs, bei denen die übliche Hormonblockade nicht mehr wirkt, kommen verschiedene Therapiemöglichkeiten infrage. Diese richten sich nach dem Erkrankungsstadium und den bisherigen Therapien. Auch wenn die Hormonblockade nicht mehr wirkt, haben viele Männer eine Zeit lang noch keine oder nur leichte Beschwerden. In dieser Phase wird die Hormonblockade entweder unverändert fortgeführt oder durch nicht steroidale Antiandrogene (wie Flutamid oder Bicalutamid) oder Abirateron verstärkt. Wenn stärkere Beschwerden auftreten, ist eine Chemotherapie mit Docetaxel eine Möglichkeit, die Beschwerden zu lindern. Wenn der Prostatakrebs während oder nach dieser Therapie weiter fortschreitet, werden die Patienten in der Regel durch eine auf ihre persönlichen Bedürfnisse und Beschwerden ausgerichtete unterstützende Therapie versorgt. Sie soll die Symptome so gut wie möglich lindern und die Lebensqualität verbessern. Dazu gehört beispielsweise eine Schmerzbehandlung mit zum Teil sehr starken Schmerzmitteln. Für Männer mit metastasiertem Prostatakrebs, bei denen die Hormonblockade wirkt, kommen abhängig vom Allgemeinzustand und von der Diagnose unter anderem zusätzlich zur Hormonblockade Docetaxel oder Abirateron infrage. Zusätzlich kann auch noch Prednison oder Prednisolon eingesetzt werden. Lebenserwartung: Die Studie weist darauf hin, dass Enzalutamid das Leben verlängern kann: Von den Männern, die aktiv überwacht wurden, war nach etwa 17 Monaten ein Viertel verstorben. Von den Männern, die Enzalutamid einnahmen, war nach etwa 22 Monaten ein Viertel verstorben. Knochenschäden: Die Studie weist ebenfalls darauf hin, dass Enzalutamid Komplikationen an den Knochen herauszögern kann. Starke Schmerzen: Es gibt schwache Hinweise dafür, dass Enzalutamid das Auftreten von starken Schmerzen herauszögern kann: Von den Männern, die aktiv beobachtet wurden, hatte ein Viertel nach ungefähr 4 Monaten erstmals so starke Schmerzen, dass sie Opiate einnehmen mussten. Von den Männern, die Enzalutamid erhielten, hatte ein Viertel nach etwa 10 Monaten erstmals so starke Schmerzen, dass sie Opiate benötigten. Lebensqualität: Die Studie liefert einen schwachen Hinweis dafür, dass Enzalutamid die Lebensqualität länger erhalten kann. Schwere Nebenwirkungen: Die Studie liefert ebenfalls einen schwachen Hinweis dafür, dass Enzalutamid schwere Nebenwirkungen herauszögert. Nach ungefähr 4 Monaten waren bei einem Viertel der Männer, die aktiv beobachtet wurden, schwere Nebenwirkungen aufgetreten. Bei einem Viertel der Männer, die Enzalutamid einnahmen, war dies nach etwa 8 Monaten der Fall. Behandlungsabbrüche wegen Nebenwirkungen: Die Studie weist darauf hin, dass Männer, die Enzalutamid einnehmen, seltener ihre Behandlung wegen Nebenwirkungen abbrechen: Von 100 Männern, die aktiv beobachtet wurden, brachen im Laufe der Studie etwa 26 ihre Behandlung ab. Von 100 Männern, die Enzalutamid erhielten, taten dies etwa 17. Welche Nachteile hat Enzalutamid? Hitzewallungen: Die Studie liefert einen schwachen Hinweis, dass bei Männern, die Enzalutamid einnehmen, häufiger Hitzewallungen auftreten. Von 100 Männern, die aktiv beobachtet wurden, bekamen im Laufe der Studie etwa 8 Hitzewallungen. Von 100 Männern, die Enzalutamid erhielten, waren es etwa 20. //

3. Januar

- 8 Uhr aufstehen – 9 Uhr Termin in der Praxis Allgemeinmedizin Frau Otterbeck – wundere mich auf dem Weg dorthin über meinen forschen Schritt und die aufrechte Körperhaltung - Maske vergessen, bekomme eine von der Mitarbeiterin – bemerke die künstlerisch gestalteten Plakate von der Dokumenta und handgemalte Motive, erfahre dass die von der Vorgängerin, der Ärztin Frau Schröder veranlasst wurden – tatsächlich längeres Gespräch mit der Ärztin, Thema war hauptsächlich Corona und die Medien, wir stimmen überein, ich sage, dass ich nicht geimpft bin und das auch künftig nicht vorhabe – alles interessant, aber nun wollte ich auf mein persönliches Anliegen zu sprechen kommen, sie bemerkt das wohl und kommt mir zuvor – ich berichte von gestern und den vergangenen Wochen und dem leichten Druck im Brustbereich beim Gehen, manchmal sogar ein Reißen, das erst nachließ, wenn ich eine Minute oder zwei Minuten stehen geblieben war – irgendwie ging das an ihr vorbei – ich überlege, ob sie, wie auch bereits die Onkologin darauf nicht eingehen, weil sie es sowieso als sinnlos zu erkennen glauben --- schon Arzt Wehrmann sagte mir, dass „Es“ (ich mag den Krankheitsbegriff weder schreiben noch aussprechen) unheilbar geworden ist - Ärztin erzählt für und wider Chemotherapie – statistisch gesehen, mit dem ich nichts anfangen kann – gibt es andere medikamentöse Behandlungsformen, frage ich, ja, aber das muss eine onkologische Praxis beantworten – sage, dass ich bereits einen Termin hatte, mit dem Ergebnis, morgen eine Blutentnahme wegen PSA-Wert vorzunehmen, außerdem soll XGeva gespritzt werden, erläutere, dass dies aber morgen nicht passieren kann, aus finanziellen Gründen – keine Reaktion – sie recherchiert am Mac, findet erst nichts, weil ich das G vergessen hatte –

- wieder das Thema Chemo, Statistiken, Überlebenschancen, sie redet von 8 bis 12 Monaten – wenig aufbauend – brauche eine Überweisung, die ich nachliefern soll – dann Verabschiedung – ich denke „Moment mal, wozu bin ich denn hier?“ - frage, „Wie geht es hier weiter?“ Augenblick Stille. „Können wir einen Allgemein-Check machen?“, frage ich. „Ja, lassen Sie sich vorne einen Termin geben …“ Den bekomme ich: 24. Januar. - Bin um 10:20 zu Hause, nehme wieder die Treppe – es wird Zeit für die letzte Ration XTANDI – müsste mit der Apotheke nochmal reden wegen der nächsten Wochenration – checke die App: „Bearbeitungs-Status“ – auch auf dem Bankkonto kein Geldeingang -

- erhitze und löffle den Rest der Spargelcremesuppe von gestern, zweieinhalb Teller – habe Hunger und danach noch zwei halbe Vollkornbrötchen – Kaffee mit Schokomix drei Tassen –

- mir wird wieder heiß, ziehe meine Klamotten aus, wasche mich, Gesicht, Achseln - nehme Xtandi ein

- fühle mich matt, enttäuscht, wieder keine klare Aussagen von der Medizin – erwarte ich zu viel oder wissen die nichts oder dass es zwecklos ist - denke über die Endzeit nach, alles abzustoßen und zu „versilbern“, das Atelier nun doch aufzugeben

- 11:40 Uhr - lege mich ins Bett- will nur schlafen – nach einigen Minuten reiche ich den Grünkohl, hatte die Bratpfanne auf die Induktionsplatte gestellt, auf der ich zuvor die Suppe erhitzt hatte – gottlob auf kleinster Stufe, aber der Rest des Grünkohls und der Bratkartoffeln sind servierfertig heiß – stehe auf und esse genüsslich – wasche ab und lege mich wieder hin – fühle mich irgendwie allein gelassen, aber ohne Traurigkeit – sollte nun doch so handeln, als wären es die letzten Monate – will der Band in Bremerhaven, mit der ich am Donnerstag zur Probe verabredet bin, absagen, würde zeitliche Gründe vorschieben – heute Abend könnte ich auch Christa in Köln anrufen, ihr endlich sagen was los ist und nach ihren Erfahrungen fragen, denn sie hatte eine Krebserkrankung und einen Herzinfarkt durchgemacht --

- Halbschlaf, stehe kurz nach 14 Uhr auf – keine Lust auf irgendwas – setzte mich dennoch an den Laptop – trinke vier Tassen Kaffee, esse 10 Haferflockenkekse - ärgere mich wieder einmal über die Berichterstattung im „Deutschlandfunk“, hat schon Propaganda-Struktur

- wollte eigentlich die Probe in Bremerhaven absagen, aber nach dem Erhalt einer Email, wonach die Band sich auf mein Erscheinen und Einsatz als Sänger und Gitarrist freut, schicke ich doch ein Email mit der Zusage

- Musik und Songtexte downloaden

- spiele Gitarre„knockin on heavens door“, klappt gut, auch die Soli von Eric Clapton, nicht original aber ähnlich

- 23 Uhr ins Bett, Gemüt ausgeglichen

4. Januar

- nachts drei Mal aufstehen zum Urinieren, alles OK

- aufstehen 9:30 – esse halbes Vollkornbrötchen mit Frischkäse und Tomate

- Xtandi aufgebraucht, gestern die vorerst letzte Ration, warte auf das Geld von der Versicherung

- Termin Blutabnahme für PSA-Wert, ca. 15 Minuten Fußweg in die Zweit-Praxis – regnerisch und windig - das Ärztehaus, auf den Fluren Warteschlangen, voll mit alten Menschen, natürlich alle mit Maske - freundliche Dame am Empfang - bei der Blutentnahme spricht sie von einer „süßen Spritze in hellblau“, hellblau ist ihre Lieblingsfarbe, ich erwidere, dass meine Venen auch „süß und hellblau“ sind, weil sie nicht so doll hervortreten, sie lacht herzerfrischend, ich sage, dass sie wohl heute gute Laune hat, „Habe ich immer“, sagt sie – ihre Kollegin guckt skeptisch mit krauser Stirn – in dem Zimmer liegen vier Männer und eine Frau stumm am Tropf, Atmosphäre wie im Vorhof einer Aufbahrungshalle, kommt mir in den Sinn, wollte fragen, ob welcher Art Therapie es ist, lasse es aber – nehme die Treppe nach unten, im Erdgeschoss zähle ich die hier tätigen Ärzte: über 50

- 11 Uhr Einkauf Rotkohl, weil ich noch ein Fertiggericht habe, aber darin zu wenig Rotkol ist – koche Kartoffeln - Mittagessen schon um 11:40 Uhr – nehme vorher 1 Esslöffel Lebertran, den ich in den vergangenen Wochen vergessen hatte -

- checke Emails – bekomme angenehme Neujahrsglückwünsche zurück – Telefonat mit Synlab Hannover, möchte gerne den Lieferanten der Werbe-Kugelschreiber erfahren – die Dame, Frau Lorenz, ist sehr freundlich und will sich bei Einkaufsabteilung erkundigen – sie erinnert sich an mich, wegen meines Vornamens und der Stimme, da wir schon mal wegen einer Arztrechnung telefoniert hatten – wenig später ruft sie zurück und bietet mir an, 10 Kugelschreiber mit ihrem Logo zu schicken, gratis, - ich nehme dankend an

- dann ruft Jochen (Prof. Dr …) an, bedankt sich für die Neujahrs-SMS, wir telefonieren lange, reden über die gesellschaftliche Situation, über Medien, Manipulation, Propaganda usw – ich sage, dass ich inzwischen müde geworden bin, gegen Willkür und einseitigen Journalismus zu agieren und dass der Kreis der aktiven Leute immer kleiner wird usw …. wollen uns evtl. am Wochenende treffen

- SMS von Hajo, hat sich über meine gefreut und würde gerne mal wieder sich unterhalten

- mache Skizzen zu Wattmuhsikanten

- höre Westernhagen für die Probe morgen, Gitarren-Solo und Texte

- es regnet stark, prasselt gegen die Scheiben, graue dunkle Wolken, es wird schon dunkel um 16 Uhr

- checke Bankkonto, Abbuchung Kfz-Versicherung, Kfz-Steuer steht bevor, ebenso Jahresgebühr für den Web-Shop, für den Web-Server, alles relativ größere Beträge – es wird eng

- 16:30 müde, schlapp, aber nicht deprimiert, lege mich ins Bett, schlafen kann ich nicht – die Endzeit kreist in meinem Kopf, wie lange bleibt mir noch, im günstigsten Fall könnten es 5 Jahre sein, im ungünstigsten ein paar Monate – -18:30 aufstehen, Toilettengang -

- Kaffee, 4 Tassen

- 19:30 – schäle ein paar von den gekochten Kartoffeln, esse sie kalt mit Salz und Mayonnaise, zwei Tomaten dazu, schmecken gut

- höre in eine DLF-Sendung hinein, Thema Journalismus in Krisenzeiten oder so, ob objektiv zu berichten sei – wieder blabla, irgendein Typ meint, man müsse unterscheiden zwischen Toten auf der russischen Seite und der ukrainischen, demnach wäre es legitim russische Soldaten zu töten – höre noch ein paar Minuten zu, schalte dann aus, kann das Gelaber nicht mehr hören

- Anruf von Dilek, der Türkin, seit zwei Jahren nichts voneinander gehört, außer das kurze zufällige Treffen in der Innenstadt, erinnere mich schwach, dass es früher einen Disput gab, ich glaube, wegen Massage, die sie aber wollte – nun über zwei Stunden telefoniert, sie erzählt aus ihrer Praxis als Migranten-Helferin, Mobbing usw – Presse, Reportage?? - sie zeigt Interesse am Fotografieren, will Kurs belegen, ich gebe ein paar Tipps – lade sie zu meinem Zeichenkurs „Schreiben & Zeichnen“ ein (wenn ich es weiter mache)

23:00 ins Bett, will morgen am Tagebuch weiter schreiben